Reglement Stufe 600

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Version: Version 2019

Das Zertifikat 600 zeichnet eine breite und fundierte Kenntnis in Arten und Grundlagen der Feldbotanik aus. Die Anforderungen sind bewusst hoch. Von Anwärtern auf das Zertifikat wird erwartet, dass sie eine mehrjährige und solide Exkursions- und Bestimmungspraxis besitzen. Die Anforderungen werden in diesem Kapitel summarisch umschrieben und nicht bis ins Detail vorgegeben. Zum Testen mehrjähriger Felderfahrung können auch Zusatzfragen gestellt werden, die über die in den folgenden Kapiteln beschriebenen Prüfungsinhalte hinausgehen.

Das Zertifikat 600 wird durch das Bestehen einer Prüfung erlangt. Die Prüfungsstelle schreibt eine öffentliche Prüfung aus, die nach den Vorgaben der Zertifizierungskommission durchzuführen ist.

Die geforderten Kenntnisse für das Zertifikat 600 setzen sich aus zwei Blöcken zusammen. Zur Erreichung des Zertifikats muss in beiden Blöcken die Zertifikatsschwelle erreicht werden. Zur Erreichung eines "Zertifikats mit Auszeichnung" muss in beiden Blöcken die Schwelle für ein "Zertifikat mit Auszeichnung" erreicht werden.



Erster Prüfungsblock – Prüfungsinhalte

Artenkenntnisse

Für das Zertifikat 600 wird eine aktive Kenntnis von 600 in der Schweiz vorkommenden Pflanzenarten geprüft. Zu den Arten ist jeweils der wissenschaftliche Art-, Gattungs- und Familienname aufzuführen.

Die Namen in der Liste sind konsequent die akzeptierten Namen gemäss Checklist 2017 (Juillerat et al. 2017; www.infoflora.ch), und so konform mit der 6. Auflage von Flora Helvetica (Lauber et al. 2018, Eggenberg et al. 2018).

Artenliste als EXCEL-File

Hinweise:

  • "aggr.“ = (Aggregat) im Sinne einer "Sammelart" für Gruppen von Klein-Arten, welche von Nichtspezialisten nur schwer unterschieden werden können
  • "s.lat." = Art, die in Unterarten (Subspecies, abgekürzt subsp.) unterteilt werden kann, welche nahe verwandte Einheiten darstellen.


Kenntnisse wichtiger Pflanzenfamilien

Die Kenntnisse wichtiger Pflanzenfamilien (nach APG IV) und ihre Merkmale werden verlangt. Typische Arten dieser Familien sollen den Familien zugeordnet werden können, auch wenn die Art nicht in der Liste 600 (Anhang) enthalten ist.

Die folgenden 36 Familien sind so zu kennen, dass sie mit ihren diagnostischen Eigenschaften beschrieben werden können, dass schematische Skizzen beschriftet oder skizziert werden können oder dass ein Beschreibungstext der richtigen Familie zugeordnet werden kann.


Amaryllidaceae Apiaceae Aspleniaceae Asteraceae
Balsaminaceae Betulaceae Boraginaceae Brassicaceae
Campanulaceae Caprifoliaceae Caryophyllaceae Crassulaceae
Cupressaceae Cyperaceae Equisetaceae Ericaceae
Fabaceae Fagaceae Gentianaceae Geraniaceae
Iridaceae Juncaceae Lamiaceae Onagraceae
Orchidaceae Pinaceae Poaceae Polygonaceae
Primulaceae Ranunculaceae Rosaceae Rubiaceae
Salicaceae Saxifragaceae Solanaceae Violaceae


Kenntnisse wichtiger Pflanzengattungen

Die Kenntnisse wichtiger Pflanzengattungen und ihre Merkmale werden verlangt. Typische Arten dieser Gattungen sollen der jeweilgen Gattung zugeordnet werden können, auch wenn die Art nicht in der Liste 600 (Anhang) enthalten ist.

Die folgenden 60 Gattungen sind so zu kennen, dass sie mit ihren diagnostischen Eigenschaften beschrieben werden können, dass schematische Skizzen beschriftet oder skizziert werden können oder dass ein Beschreibungstext der richtigen Gattung zugeordnet werden kann.

Achillea Allium Anemone Artemisia Bromus
Campanula Cardamine Carduus Carex Centaurea
Cerastium Cirsium Crepis Dactylorhiza Dianthus
Eriophorum Euphorbia Festuca Galium Geranium
Hieracium Juncus Lamium Lathyrus Leontodon
Lolium Luzula Matricaria Medicago Melilotus
Orchis Orobanche Pedicularis Phyteuma Pinus
Plantago Poa Polygonatum Polygonum Populus
Potentilla Prunus Pulsatilla Ranunculus Rhinanthus
Rosa Rubus Rumex Salix Sedum
Sempervivum Senecio Silene Sorbus Stellaria
Trifolium Vaccinium Valeriana Veronica Vicia

Erster Prüfungsblock – Zertifizierungsschwellen

Die Prüfung dieses Kenntnissblockes setzt sich zusammen aus Artenkenntnissen und Kenntnissen zu Pflanzenfamilien. Für die Zertifizierung ist der folgende Wissenstand zu erreichen:


  • Zertifikat erfüllt: 90% der Gesamtpunktzahl
  • Zertifikat erfüllt mit Auszeichnung: mind. 95% der Gesamtpunktzahl


Von diesen als bekannt vorausgesetzten Arten werden 40-50 Arten abgefragt (Stichprobe 6.67-8.33%). Eine korrekte wissenschaftliche Gattungs- und Artansprache ergibt 2 Punkte, eine korrekte wissenschaftliche Gattungsansprache ergibt 1 Punkt. Eine korrekte Familienangabe ergibt einen halben Punkt.


Zweiter Prüfungsblock - Prüfungsinhalte

Für das Zertifikat Feldbotanik-Stufe 600 müssen die KandidatInnen neben den Kenntnissen von Taxa auch über breite Kenntnisse zu verschiedenen, für die Feldbotanik relevanten botanischen Themen verfügen. Diese Themen werden hier in der Folge inhaltlich gruppiert und summarisch aufgelistetet, sie werden aber an der Prüfung als Gesamtheit bewertet, d.h. die Punkte der verschiedenen Themen werden zusammengezählt und als Summe für die Zertifizierung evaluiert.


Kenntnisse Lebensformen, Morphologie

An einer Pflanze (Frischmaterial, Herbarmaterial oder Abbildung) sollen die für eine Bestimmung wichtigen Organe und Merkmalsausprägungen mit Fachausdrücken benannt werden können. Fachausdrücke entsprechend relevanter Literatur (z.B. Binz & Heitz 1990, Lauber & al. 2012, Aeschimann & Burdet 2008, Baltisberger & al. 2013).

Die Kenntnisse der Fachterminologie kann auf verschiedene Weisen geprüft werden, z.B.:

  • Erklärung (Umschreibung oder Zeichnung) eines vorgegebenen Fachterminus
  • Beschreibung einer Pflanze (eines Pflanzenteiles) mit korrekten Fachbegriffen
  • Zuweisen von Fachbegriffen in einem Text zu einer Pflanzenskizze



Kenntnisse Bestimmungsschlüssel

Für die Feldbotanik-Stufe 600 wird verlangt, dass Erfahrungen in der Anwendung von dichotomen Bestimmungsschlüsseln bestehen.

Diese Erfahrung kann auf zweierlei Weise geprüft werden:

  • Bestimmen einer Pflanzenart mit ausgeteiltem dichotomem Bestimmungsschlüssel
  • Erstellen eines dichotomen Bestimmungsschlüssels aufgrund ausgeteilter Pflanzenarten oder für ausgewählte Arten aus der 600er Liste.


Die dichotomen Bestimmungsschlüssel können auf verschiedene Weise dargestellt werden. In der Schweiz werden durch die wichtigsten Florenwerke zwei Formen verwendet, sie sind in Variante 1 und 2 dargestellt. Es ist der Umgang mit beiden Formen zu beherrschen.

Variante 1 (Stil Binz/Heitz und Wagner/Lauber):

Bestimmungsschluessel Var1.png


Variante 2 (Stil Hess/Landolt/Baltisberger):

Bestimmungsschluessel Var2.png



Kenntnisse Biogeografische Regionen und Höhenstufen

Die Einteilung der Schweiz in 6 Biogeografische Regionen wird als bekannt vorausgesetzt.

Bioregionen DE.png


Es wird erwartet, dass die folgenden Begriffe korrekt erklärt und angewendet werden können:

  • Kolline Stufe
  • Montane Stufe
  • Subalpine Stufe
  • Alpine Stufe
  • Nivale Stufe


Die 4 Klimatypen der Schweiz und ihre Zuordnung zu den Biogeografischen Regionen müssen bekannt sein:

  • Subatlantisch
  • Subkontinental
  • Insubrisch
  • Gebirgsklima


Kenntnisse Vegetationsaufnahme

Es wird vorausgesetzt, dass mit untenstehender, kombinierten Abundanz-Dominanz-Skala ("Braun-Blanquet-Skala“) eine Vegetationsaufnahme gemacht werden kann. Die hier definierten Kenntnisse beinhalten nicht das Kennen aller in der Aufnahmefläche vorkommenden Arten.


BrBl-Skala DE.png


Die Kenntnisse von geeigneten Minimalflächen für eine Aufnahme werden nicht vorausgesetzt.


Relevee.png

Kreisförmige Aufnahmefläche in welcher die
Dominanz-Abundanz der Arten (hier schematisch mit 3 Arten)
geschätzt wird.



Kenntnisse Lebensraum und Zeigerwerte

Die Lebensraumkenntnisse orientieren sich an der Publikation Delarze & Gonseth: Lebensräume der Schweiz (2. Auflage 2008 oder 3. Auflage 2015). Folgende Kenntnisse werden vorausgesetzt:

  • Die Lebensräume werden hierarchisch eingeteilt in Lebensraumbereiche, Lebensraumgruppen und Lebensraumtypen. Mindestens 1 Beispiel einer Gruppe „Bereich-Gruppe-Typ“ soll angegeben werden können.

Beispiel: 5 Krautsäume, Hochstaudenfluren, Gebüsche 5.4 Zwergstrauchheiden 5.4.3 Subalpine Zergstrauchheide


  • Die neun Lebensraumbereiche sollen benannt werden können.
    Es sollen mindestens je zwei typische Arten für jeden der Lebensraumbereiche 1 bis 8 angegeben werden können:


Lebensraumliste DE.png

  • Es wird die Kenntnis vorausgesetzt, dass alle Farn- und Blütenpflanzen der Schweiz ökologische Zeigerwerte nach der Flora Indicativa (Landolt et al. 2010) besitzen.
    Erweiterte Kenntnisse werden zur Feuchtezahl, der Reaktionszahl und der Stickstoffzahl erwartet. Bei diesen Zeigerwerten soll die Bedeutung der Werte bekannt sein.
    Die Prüfungskandidaten sollten wissen, welche Arten der 600er-Liste „Extremwerte“ (1 oder 1,5 beziehungsweise 5) für diese 3 Zeigerwerte aufweisen.

Zeigerwertlegende 2018 DE.png




Kenntnisse Taxonomie

Als bekannt vorausgesetzte Begriffe, die erklärt werden können und zu denen Beispiele genannt werden können:

Rangstufe Beispiele
Familie Asteraceae, Apiaceae, Violaceae
Gattung (Genus) Fagus, Quercus, Buche, Eiche
Artengruppe (Aggregat) Alchemilla conjuncta agg.
Art (Spezies) Fagus sylvatica, Quercus robur
Unterart (Subspezies) Ranunculus acris subsp. friesianus


Diese taxonomischen Rangstufen müssen in die hierarchisch richtige Reihenfolge gestellt werden können.

Es muss bekannt sein, was Synonyme sind, wie diese zustande kommen und es müssen Beispiele dazu gegeben werden können.




Kenntnisse Gefährdung und Schutz

Es wird vorausgesetzt, dass unterschieden werden kann zwischen:

Gefährdung Schutz
Status einer Art gemäss der Roten Liste Status einer Art gemäss der Naturschutzgesetzgebung (national oder kantonal)


Die folgenden Stufen der Gefährdung, welche die aktuelle Rote Liste verwendet, werden als bekannt vorausgesetzt:

Categories RL DE.png




Kenntnisse wichtiger Neophyten

Als bekannt vorausgesetzt wird die Einteilung der Neophyten in Arten der "Freisetzungsverordnung (Anhang 2)", der "Schwarzen Liste" und der "Watch-Liste" (Stand August 2014).

Zu jeder dieser Listen sollten je 5 Beispiele genannt werden können.

Freisetzungsverordnung:
https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20062651/index.html

Schwarze Liste / Watch List:
https://www.infoflora.ch/de/flora/neophyten/



Datenerfassung

Es wird vorausgesetzt, dass Fundangaben korrekt aufgenommen (GPS Koordinaten, Höhe, Exposition, Populationsgrösse etc.) und im elektronischen Online-Feldbuch von Info Flora weitergegeben werden können.

Online-Feldbuch von Info Flora findet sich unter: www.infoflora.ch, MITMACHEN, Online-Feldbuch

Die Arbeit mit dem Online-Feldbuch ist im entsprechenden Manual von Info Flora beschrieben. Es wird als bekannt vorausgesetzt, dass Routinearbeiten mit dem Online-Feldbuch bekannt sind. Manual Online-Feldbuch:
https://www.infoflora.ch/de/mitmachen/daten-melden/online-feldbuch.html


Zweiter Prüfungsblock - Zertifizierungsschwellen

Die geforderten Prüfungsinhalte sind in den vorangegangenen Abschnitten erläutert. Die Gewichtung der abgefragten Zusatzkenntnisse ist der Prüfungsstelle überlassen, nicht alle Bereiche müssen in der Prüfung berücksichtigt werden. Es gelten die folgenden Zertifizierungsschwellen:

  • Zertifikat erfüllt: 80% der Gesamtpunktzahl
  • Zertifikat erfüllt mit Auszeichnung: mind. 90% der Gesamtpunktzahl



Durchführung der Prüfung

  • Die Prüfung findet vorzugsweise in einem botanischen Hochschulinstitut oder einem universitären Botanischen Garten statt. Der Prüfungsort kann von Jahr zu Jahr wechseln; dabei sind die Sprachregionen angemessen zu berücksichtigen.
  • Die Ausschreibung erfolgt im Internetportal von Info Flora und anderen geeigneten Ausschreibeorten.
  • Zeitpunkt der Durchführung ist jeweils gegen Ende der Blühsaison, z.B. Juli oder August. Somit kann neben Frischmaterial auch noch und Herbar- und Bildmaterial an den Prüfungen verwendet werden.
  • Die KandidatInnen bezahlen eine von der Zertifizierungskommission festgelegte Anmeldegebühr (vgl. Kapitel 2.6).
  • Die Prüfung wird mindestens zweisprachig (Deutsch und Französisch) angeboten. Dies bedeutet, dass die Fragebogen und die Prüfungsbegleitung in beiden Sprachen zur Verfügung stehen.
  • Die Prüfung wird durch die Prüfungsstelle vorbereitet und organisiert. Der Aufbau und Verlauf der Prüfung wird der Zertifizierungskommission vorgelegt und von ihr genehmigt.
  • Die Zertifizierungskommission oder eine Delegation davon wird vor der Prüfung über die Prüfungsfragen und die Beurteilungskriterien informiert.
  • Die Prüfungsstelle korrigiert alle Resultate und fällt die Entscheide zum Bestehen der Prüfung.
  • Die Entscheide bzw. die Zertifikate werden den Kandidatinnen und Kandidaten auf schriftlichem Weg von der Prüfungsleitung zugestellt.
  • Gegen die Entscheide der Prüfungsleitung kann innerhalb von zwei Monaten ab Mitteilung der Ergebnisse bei der Zertifizerungskommission rekurriert werden. Diese entscheidet abschliessend.


Weblinks